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::34:: Tomislav Osmanli :: Aristotelis Deligiannidis

 

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Aus dem Mazedonischen von Elizabeta Lindner

 

Eines Tages, wenn ich weg sein werde

sucht nach meiner Seele hier an diesem Platz

die Orchestra einer amphitheatralischen Stadt

die sich zur ungeheuren Szene eröffnet

des blauen Lichtes und der mythischen Sternbilder,

dieser Stadt, die jahrhundertelang daran teilnimmt

und zeitgleich lebendig

das uralte Drama betrachtet

worin die Festländer Drachen verstecken, aber auch goldene Vliese

Hoffnungen und Leidenschaften

und ungestilltes menschliches Blut;

dieser Stadt, die die Sprachen der Meere versteht

sogar das Flüstern derer Wellen, die

uralte Geschichten über Helden und Liebenden tragen,

bereit für verrückte Taten und mutiges Sterben,

wo die Luft immer noch die Federn

von Pegasus’ Flug herumträgt;

dieser Stadt, zu den

warmen Meeren geöffnet

wo die Inseln ewig von Schiffen träumen,

die Häfen sich nach anderen Geschichten sehnen,

und die Seeleute sich erneut in die Sterne verlieben.

 

Eines Tages, wenn ich weg sein werde

sucht nach meiner Seele auf diesem Platz.

Die Möwen werden sie füttern,

die mit den Südwinden kommen

und aus den fernen Meeren

in ihren Schnäbeln die warmen

Hauche Libyens und Ägyptens tragen

die Marmorschönheiten der Kykladen

verschiedene Düfte und Sprachen

aus der zweiköpfigen Großstadt gebracht,

dem einstigen Zuhause der schwarzen Adler…

 

Eines Tages, wenn ich weg sein werde

werdet ihr mich in den Schatten

der Baumstämme bitterer Orangen

und der Zypressen finden,

die sich in alten Höfen emporheben

neben den still gewordenen Palästen dieser Stadt

und flüsternd kündigen sie den Mittelmeersüden an

werfen Blicke auf das Gegenufer

zu den theogonischen Höhen des Olymps,

wo muntere Götter die Rollen der Liebenden spielen

in den verschachtelten Mythen und Epen mit tragischen Ausgängen

begreifen sie die apollonische Melancholie des Kyparissos’ und der Kea

die pelasgischen Sprachen der Kykladen,

Aphrodites Reiche auf Zypern

die Schlösse des Minos’

und die Labyrinthe unseres alltäglichen Seins.

::Aristotelis Deliganidis:: O.T.

 

Eines Tages, wenn ich weg sein werde

findet ihr mich zwischen den Mandarinenblättern,

die im Getümmel und Abgase der Autos

in den Gassen der Stadtmitte gedeihen

und ihr werdet mich sehen

wie ich zwischen den bunten Atemzügen des Marktes

am frischen Basilikum rieche

um meinen Atemzug mit dem Mittelmeerraum zu füllen

und meinen Blick mit blauer Endlosigkeit

und mit Sonne.

 

Eines Tages, wenn ich weg bin

erwähnt nur meine Liebe

zu dieser Stadt

aus nicht von Menschenhand gemachten Tempeln

und aus leidenden Menschen und Heiligen

die über ihren Köpfen und Kuppeln schweben

und so werden mich ihre Vögel und Winde

als ihren verliebten

Mitbürger

anerkennen.

 

Dann werde ich endlich

in dieser Stad bleiben

um mich

ewiglich,

immer wieder in sie zu verlieben.