::Gedicht und Gebilde:: 2 ::
::01-20:: ::21-40::
::34:: Tomislav Osmanli :: Aristotelis Deligiannidis
Liebe :: Љубов :: Έρως :: AMORE :: LJUBAV :: Love
Aus dem Mazedonischen von Elizabeta Lindner
Eines Tages, wenn ich weg sein werde
sucht nach meiner Seele hier an diesem Platz
die Orchestra einer amphitheatralischen Stadt
die sich zur ungeheuren Szene eröffnet
des blauen Lichtes und der mythischen Sternbilder,
dieser Stadt, die jahrhundertelang daran teilnimmt
und zeitgleich lebendig
das uralte Drama betrachtet
worin die Festländer Drachen verstecken, aber auch goldene Vliese
Hoffnungen und Leidenschaften
und ungestilltes menschliches Blut;
dieser Stadt, die die Sprachen der Meere versteht
sogar das Flüstern derer Wellen, die
uralte Geschichten über Helden und Liebenden tragen,
bereit für verrückte Taten und mutiges Sterben,
wo die Luft immer noch die Federn
von Pegasus’ Flug herumträgt;
dieser Stadt, zu den
warmen Meeren geöffnet
wo die Inseln ewig von Schiffen träumen,
die Häfen sich nach anderen Geschichten sehnen,
und die Seeleute sich erneut in die Sterne verlieben.
Eines Tages, wenn ich weg sein werde
sucht nach meiner Seele auf diesem Platz.
Die Möwen werden sie füttern,
die mit den Südwinden kommen
und aus den fernen Meeren
in ihren Schnäbeln die warmen
Hauche Libyens und Ägyptens tragen
die Marmorschönheiten der Kykladen
verschiedene Düfte und Sprachen
aus der zweiköpfigen Großstadt gebracht,
dem einstigen Zuhause der schwarzen Adler…
Eines Tages, wenn ich weg sein werde
werdet ihr mich in den Schatten
der Baumstämme bitterer Orangen
und der Zypressen finden,
die sich in alten Höfen emporheben
neben den still gewordenen Palästen dieser Stadt
und flüsternd kündigen sie den Mittelmeersüden an
werfen Blicke auf das Gegenufer
zu den theogonischen Höhen des Olymps,
wo muntere Götter die Rollen der Liebenden spielen
in den verschachtelten Mythen und Epen mit tragischen Ausgängen
begreifen sie die apollonische Melancholie des Kyparissos’ und der Kea
die pelasgischen Sprachen der Kykladen,
Aphrodites Reiche auf Zypern
die Schlösse des Minos’
und die Labyrinthe unseres alltäglichen Seins.
Eines Tages, wenn ich weg sein werde
findet ihr mich zwischen den Mandarinenblättern,
die im Getümmel und Abgase der Autos
in den Gassen der Stadtmitte gedeihen
und ihr werdet mich sehen
wie ich zwischen den bunten Atemzügen des Marktes
am frischen Basilikum rieche
um meinen Atemzug mit dem Mittelmeerraum zu füllen
und meinen Blick mit blauer Endlosigkeit
und mit Sonne.
Eines Tages, wenn ich weg bin
erwähnt nur meine Liebe
zu dieser Stadt
aus nicht von Menschenhand gemachten Tempeln
und aus leidenden Menschen und Heiligen
die über ihren Köpfen und Kuppeln schweben
und so werden mich ihre Vögel und Winde
als ihren verliebten
Mitbürger
anerkennen.
Dann werde ich endlich
in dieser Stad bleiben
um mich
ewiglich,
immer wieder in sie zu verlieben.