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„I cannot proudly show any special knowledge
I’m stupid, quick-tempered, and always irritated
Every day I’m lost without adequate thought
I’m not qualified for being eternally loved“
You say so and begin to leave me
I don’t want to lose you just like that
When I forget everything else and
shoot out to this pedestrian crossing
I find my own breathless body
lying wretched right at my feet
Maybe it has been left run over
Passersby gather around the corpse and chatter:
“Death from overwork? Death in war? Suicide?
Assassination? Death in prison? Drowning?
Euthanasia? Death from illness?
Unattended death? Natural death?” Why
do those irrelevant conjectures sound correct?
I come to myself and remember where to go
I start hurrying again to reach that famous store
where a long queue may be formed as always
I don’t want to keep waiting in the line anymore
I’m not sure yet what I can get there after the wait
People say uncertainly it must be “happiness”
Today’s queue seems far longer than before
As I wonder at its tail how long I should wait
this time while controlling my own breath
a young woman in front of me turns around
and says: “I have no idea why so many people
are desperate to return to the bodies they’ve lost
I may go crazy if what is waiting for me today
at the top of this line is nothing but a sellout”
The long line continues to extend behind me
The final word you said before going away
comes back to me: “You are a liar after all
You promised to learn my world’s language
But you didn’t as all my past lovers didn’t”
An old man wedges himself abruptly
between the young woman and me
He shrugs off my admonition and retorts:
“I fought the enemy for you and I’m useless now!
Can you guess why I’ve been devoting myself
to every antiwar movement since that futile war?
For the sake of the happiness of you guys all!”
I let him stay in the line with no words to return
A piercing voice is clearly heard from behind:
“Ooh-la-la! Holy cow! That’s beyond human!”
Is it jeering me? Or praising me?
An old woman wedges herself abruptly
between the old man and me
She pales at my protest and answers me back:
“Why are only experts treated well all the time?
Where the lives of non-experts are always
seen as negligible shouldn’t be called society!
How can I do without muscling into you this way
when no one is willing to listen to my silence?”
As soon as I decide to let her stay there
another high-pitched voice is repeated behind me:
“Beyond human! Beyond human!”
I turn around out of curiosity to notice
an angelic-looking child pinching my sleeve
and pulling it gently as if to represent
all the other people lining behind me
The child’s face reminds me gradually
of someone I remember vaguely
A uniformed young stranger comes closer
to us all in the line and announces reverently:
“Before your purchase ends up in a trash bag later
please let me buy it for the sake of all the bereaved
as well as of our life histories and my sustenance”
While the queue starts to move slowly again
several different rumors cross behind me:
“Sold out? Already? Again? Why so soon?”
“Is it true the store is unmanned all the time?”
“Why don’t we go and start looting there?”
The young stranger stands right by my side
and informs stately: “All you guys from here
down to the very tail would be well-advised
to go back home today and return here tomorrow”
“BEYOND HUMAN! BEYOND HUMAN!”
Only those who submit to the stranger’s order
And choose to leave the queue (including me)
happen to end up this day’s survivors
All those who keep remaining in the line
result in being wasted one after another later
This fact is reported to me a few days later
The latest news says under the urgent invocation
of state power nicknamed “Poetry Policy”
those before me in the line are destined to be
judged as “advanced citizens who rightly believe
that human soul resides only in the visible”
whereas all the rest in the line (including me) are
destined to be regarded as “fools who still believe
that human soul resides only in the invisible and
that you must keep sharpening your thought to see it”
Our government is reported to have concluded
only the former group can gain their “happiness”
What would be happening to my life now without
the queue-jumping of those old man and woman?
Returning to my memory is the child’s angelic face
which laments: “I’m stupid and quick-tempered”
(I will say: “You’re always candid and honest”)
which deplores: “I’m lost without adequate thought”
(I will say: “I can feel your aspiration and vitality”)
When the waiting line was split in front of me
Was the child still pulling my sleeve gently?
Wasn’t the child going to push my back hard?
I go back to the pedestrian crossing right after
leaving the queue to watch my own corpse again
Finding the breathless body adorned with flowers
I start wondering which life is far happier:
Me dying beautifully in flowery illusions?
Or me surviving dirtily in harsh realities?
Can I really reach the best solution someday?

Politik der Poesie
aus dem Englischen von :: Elizabeta Lindner
„Ich kann kein besonderes Wissen vorweisen
Ich bin dumm, launisch und immer gereizt
Jeden Tag bin ich verloren ohne angemessene Gedanken
Ich bin nicht geeignet, um ewig geliebt zu werden“
Das sagst du und beginnst, mich zu verlassen.
Ich will dich nicht einfach so verlieren
Wenn ich alles andere vergesse und
zu diesem Fußgängerübergang hinausschieße
finde ich meinen eigenen leblosen Körper
der jämmerlich zu meinen Füßen liegt
Vielleicht ist er überfahren worden
Passanten scharen sich um den Leichnam und plaudern:
„Tod durch Überarbeitung? Tod im Krieg? Selbstmord?
Ermordung? Tod im Gefängnis? Ertrinken?
Euthanasie? Tod durch Krankheit?
Unbeaufsichtigter Tod? Natürlicher Tod?“ Warum
klingen diese irrelevanten Mutmaßungen richtig?
Ich komme zu mir und erinnere mich, wohin ich gehen muss.
Ich fange wieder an, mich zu beeilen, um diesen berühmten Laden zu erreichen
wo sich wie immer eine lange Schlange bilden könnte
Ich will nicht länger in der Reihe warten
Ich bin mir noch nicht sicher, was ich nach der Warterei bekomme
Die Leute sagen ungewiss es muss „Glück“ sein
Die heutige Schlange scheint viel länger zu sein als früher
Während ich an derer Ende mich frage, wie lange ich warten soll
dieses Mal, indem ich meinen eigenen Atem kontrolliere
dreht sich eine junge Frau vor mir um
und sagt: „Ich habe keine Ahnung, warum so viele Menschen
verzweifelt versuchen, in die Körper zurückzukehren, die sie verloren haben
Ich könnte verrückt werden, wenn das, was heute am Anfang dieser Reihe
auf mich wartet, nichts anderes als ein Ausverkauf ist.“
Die lange Reihe hinter mir wird immer länger
Das letzte Wort, das du sagtest, bevor du gingst
kommt mir wieder in den Sinn: „Du bist also doch ein Lügner.
Du hast versprochen, die Sprache meiner Welt zu lernen.
Aber du hast es nicht getan, wie alle meine früheren Liebhaber“
Ein alter Mann zwängt sich unvermittelt
zwischen der jungen Frau und mir
Er nimmt meine Ermahnung nicht zur Kenntnis und erwidert:
„Ich habe für euch gegen den Feind gekämpft und jetzt bin ich nutzlos!
Kannst du dir vorstellen, warum ich mich
jeder Antikriegsbewegung seit diesem sinnlosen Krieg widme?
Um eures Glückes willen!“
Ich lasse ihn in der Reihe stehen, ohne ein Wort zu erwidern.
Eine durchdringende Stimme ist deutlich von hinten zu hören:
„Ooh-la-la! Heiliger Strohsack! Das ist jenseits von menschlich!“
Verspottet sie mich? Oder lobt sie mich?
Eine alte Frau zwängt sich unvermittelt
zwischen dem alten Mann und mir
Auf meinen Protest hin wird sie blass und antwortet mir:
„Warum werden immer nur die Experten gut behandelt?
Da, wo das Leben von Nicht-Experten immer
als unbedeutend angesehen wird, sollte man nicht Gesellschaft nennen!
Wie soll ich es schaffen, mich nicht so aufzudrängen
wenn niemand bereit ist, auf mein Schweigen zu hören?“
Kaum beschließe ich, sie dort stehen zu lassen
ertönt hinter mir wieder eine hohe Stimme:
„Jenseits von menschlich! Jenseits von menschlich!“
Ich drehe mich aus Neugierde um und sehe
ein engelhaftes Kind, das mich in den Ärmel kneift
und sanft daran zieht, als stünde es stellvertretend für
all die anderen Menschen, die hinter mir stehen
Das Gesicht des Kindes erinnert mich allmählich
an jemanden, an den ich mich vage erinnere
Ein junger Fremder in Uniform kommt näher
auf uns alle in der Reihe zu und verkündet ehrfürchtig:
„Bevor Ihr Kauf später in einem Müllsack landet
lassen Sie es mich bitte kaufen, um aller Hinterbliebenen willen
sowie unserer Lebensgeschichten und meines Lebensunterhalts“
Während sich die Schlange langsam wieder in Bewegung setzt
kreuzen sich hinter mir mehrere verschiedene Gerüchte:
„Ausverkauft? Bereits? Schon wieder? Warum so schnell?“
„Stimmt es, dass der Laden die ganze Zeit unbesetzt ist?“
„Warum gehen wir nicht hin und fangen dort an zu plündern?“
Der junge Fremde steht direkt neben mir
und informiert stattlich: „Ihr alle, von hier
bis hinunter zum Ende, wärt gut beraten
heute nach Hause zu gehen und morgen zurückzukehren“
“ JENSEITS VON MENSCHLICH! JENSEITS VON MENSCHLICH!“
Nur die, die sich dem Befehl des Fremden unterwerfen
und die Warteschlange verlassen (mich eingeschlossen)
werden die Überlebenden des Tages sein
Alle, die in der Schlange stehen bleiben
werden später einer nach dem anderen beseitigt
Diese Tatsache wird mir ein paar Tage später berichtet
Die neuesten Nachrichten besagen, dass unter der dringenden Anrufung
der Staatsmacht mit dem Spitznamen „Poesie der Politik“
die vor mir in der Schlange stehen, dazu bestimmt sind
als „fortschrittliche Bürger, die zu Recht glauben
dass die menschliche Seele nur im Sichtbaren wohnt“
während alle anderen in der Reihe (mich eingeschlossen)
dazu bestimmt sind, als „Narren, die immer noch glauben
dass die menschliche Seele nur im Unsichtbaren wohnt und
dass man seine Gedanken immer weiter schärfen muss, um sie zu sehen“
Unsere Regierung soll zu dem Schluss gekommen sein
dass nur die erstgenannte Gruppe ihr „Glück“ erlangen kann
Was würde jetzt mit meinem Leben geschehen ohne das Vordrängeln
in der Schlange des alten Mannes und der alten Frau?
Das engelsgleiche Gesicht des Kindes kehrt in mein Gedächtnis zurück
das klagt: „Ich bin dumm und launisch“
(Ich werde sagen: „Du bist immer offen und ehrlich“)
das sich beklagt: „Ich bin verloren ohne angemessene Gedanken“
(Ich werde sagen: „Ich kann dein Streben und deine Vitalität spüren“)
Als die Warteschlange vor mir geteilt wurde
Zog das Kind immer noch sanft an meinem Ärmel?
Wollte das Kind mich nicht hart in den Rücken stoßen?
Ich gehe zurück zum Fußgängerübergang, gleich nachdem ich
die Reihe verlasen hatte, um wieder meine eigene Leiche zu betrachten
Als ich den leblosen, mit Blumen geschmückten Körper finde
fange ich an, mich zu fragen, welches Leben viel glücklicher ist:
Ich, der schön in blumigen Illusionen stirbt?
Oder ich, der schmutzig in der rauen Wirklichkeit überlebt?
Kann ich wirklich eines Tages die beste Lösung erreichen?