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:: 52 :: Marija Dejanović :: Michaela Strumberger

Die Zeit der langen Erholung

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Wir sind in das Alter gekommen, wo die Reife

keinen Bezug zum Alter hat:

die Vögel verständigen sich, indem sie

durch ihre Bewegung die Umlaufbahn 

der Himmelskörper nachahmen. 

Die Frösche treiben auf den Seen,

indem sie ihre sanften Halsmembranen

als Segel benutzen.

Die sieben Tage Einsamkeit verliefen wie folgt:


 

Am ersten Tag begriff ich nicht einmal,

dass ich alleine bin.


Am zweiten Tag war der Alltag

wie gewöhnlich.

Ich aß nichts

und schlief wenig,

kochte aus deinem Hemd eine Suppe

für den Fall, dass ein Gast an der Tür klopfen würde.

Am Ende putzte ich damit die Fenster,

besser so, als eine Beleidigung Richtung Tür zu werfen,

die Tür, durch die keiner hindurchgeht, weil ich es verbot,

die Tür, die verschlossen ist,

eingenäht in der warmen Wand meines Magens,

verschlucktes Haus des Igels.



Am dritten Tag begriff ich, dass ich alleine bin.

Die Fische erschraken und versammelten sich zu einem Schwarm. 

Hielten eine Sitzung, wo sie sich entschieden,

ab morgen als silberne Fledermäuse zu leben.

Sie werden zum Licht fliegen, die Augen schließen

und die Tage mit den Sensoren in ihrem Hals zählen.

Ich entschied mich, alleine zu bleiben

und meinen neuen Zustand zu umarmen

wie die Zeit meiner langen Erholung.

An den vierten Tag erinnere ich mich nicht.

An den fünften Tag erinnere ich mich gut,

aber ich würde lieber nicht darüber reden.


Am sechsten Tag entschied ich:

ich werde alleine sein.


Und tatsächlich, am siebten Tag.

Als knackte Eis in meinen Knien, 

in meinen Danksagungen,

in den Gliedern der mich-Spinne,

die einem Hund ähnelt,

in den Zähnen des mich-Fuchses

der einem Wolf ähnelt.

 

Aus dem Kroatischen von :: Elizabeta Lindner

 

Michaela Strumberger :: Altar ::

 

The Time of Long Recovery


We’ve reached the age when maturity

has nothing to do with years:

birds communicate

by aping heavenly bodies

with their movement.

Frogs roam the seas

by using their silky films

as sails.

My seven days of solitude went as follows:


on the first day, I didn’t realize I was alone.


On the second day, my routine

proceeded as usual.

I ate nothing

and slept little,

cooked a soup from your shirt

should I have to welcome some guest.

I ended up using it to clean the windows,

which trumps

hurling an insult towards the door

the door that welcomes no visitors,

the door that is locked,

sown in the warm walls of my stomach,

a hedgehog’s home, swallowed.


When, on the third day, I realized I was alone,

the fish got scared and gathered into a flock.

They held a meeting and decided

to proceed living as silver bats.

They’ll fly towards the light, close their eyes,

and count the days with the sensors in their throats.

I decided to remain alone,

and embrace this state

as the time of my long recovery.


I don’t remember the fourth day.


I remember the fifth day well

but prefer not to talk about it.


On the sixth day, I decided:

I will be alone.


And indeed, the seventh day.

Like ice cracking in my knees,

in my thanks,

in me-spider’s knuckles,

who resembles a dog,

in me-fox’s teeth,

who resembles a wolf.


English translation :: Hana Samaržija

Video für die Biennale SlovoKult :: literARTour 2020 Berlin :: stream am 22.12.20