Gedicht und Gebilde::
::06::
H.C. Artmann
Foto::(c)::Emily Artmann
so gehen meine tage nutzlos dahin
und der regen träumt sich
ins feil der braunen felder
so läßt sie ihre hand aus der meinen
sinkend eine tulpe im schatten
ein vogel nachtmüde im baum
wie ist mir das lied geworden
was änderte die sprache seiner musik
was geschah an den brauen des reims
losgelöst hat sich mein mund
von schöneren worten
wie ein blatt vom strauch
zwei weidende pferde tag um tag
genug noch gras da wollmähniges
acht hufe über dem bett meines herzens
wie manchem ist der herbst gekommen
als zärtlicher freund
mir aber wollen dinge bitter ins blut
das geläute in den abendbergen
der nebel im seelandmorgen
wer liebt mehr als ich
ich bitte euch ihr unsichtbaren
beim zauber euch gehorsamer pflanzen
entgiftet mir diesen Schierling
nebel und mond
die apfelzweige lasten schon
über dem land der herbstwiesen
ein zeit ist mein wünsch
gerade groß genug für zwei
geschnitten aus der äußerlichkeit unserer körper
schaut je ein auge so weit
innerhalb dieser festung warte ich auf sie
bang fast schwankend
wie ein bussard zwischen regen und mord mein mut
wird sie kommen
wird mein ruf sie erlocken
wird die magnetnadel meines wünschens
unser zeit dichtnähen
wie roter wein meine tage
wie ein hauch naher ulmen
stundauf stundab das pochende gehen der ädern
leise lose gelöst
schatten eines schnellfließenden baches
weiden oder wimpern –
wozu noch unterschiede
ich habe drei hirsche am waldrand gesehen
langsam durchhuften sie
das zwergengedämmer von moos und farn
ich habe mein blut meine haut und
die Sehnsucht meines wartenden mundes
mit ihrem dunklen schrei vermischt
kein zauber ist mir fremd geblieben
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aus dem Gedichtband „Verbarium“, Walter-Verlag, 1966
mit freundlicher Genehmigung von :: Rosa Artmann (aka Rosa Pock)
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Monika Moteska::Berührungen::1996