::03::Aussage::Ausdruck
Alexander Graeff::Andrea Schmidt
Alexander Graeff

Träume eines Postmodernen

Trotz des regnerischen Wetters wagte ich den Aufstieg; ich lieh mir extra

Wanderstiefel. Das Hochplateau erreichte ich am Abend. Die Sonne nur

in Gedanken, die blauen Berge vor meinen Augen. Rotes Licht in meinem

Rachen. Dann sehe ich Bewegung: die Tiere ziehen weiter, wir Menschen

bleiben. Das haben wir kultiviert.

Ganz oben drehe ich mich auf den Fersen, sauge an dem Bild, das sich

mir darbietet. Ich weine. Nicht der Wind lässt mich weinen, es ist die

Gewissheit. In diesem Moment ist mir gewiss: Die Welt um mich herum

existiert. Sie ist nicht nur die planlose Faser eines sinnlosen Alltags. Die

Dinge sind mehr als nur Bilder, die ich fliehe. Rot, Grün, Berge, Welt. Ich

sehe: Wirklichkeit. Und jetzt sehe ich auch endlich, was ich bin: Bedin-

gungslose Erste Person.

Doch dann sagt der eidottergelbe Philosoph: „Träume eines Postmodernen.“

Und ich wache auf.

 

Andrea Schmidt::Illustration::Träume eines Postmodernen::

Aus:: Runen:: Sic Literaturverlag::2015